In ihrem Werk befasst sich Anna Artaker mit Bildproduktion im Kontext von Geschichtsschreibung, also mit Bildern, die zur Konstruktion und Vermittlung von Geschichte herangezogen wurden und so Teil einer bestimmten Historiografie geworden sind.
In den letzten Jahren hat sich Artaker intensiv mit den Totenmasken des armenisch-sowjetischen Bildhauers Sergei Merkurov (1881–1952) auseinandergesetzt. Merkurov war „Staatskünstler“ der jungen Sowjetunion und hat zahlreiche monumentale Heldenbildnisse geschaffen. Zudem hat er prominenten Persönlichkeiten der Sowjetunion Totenmasken abgenommen. Diese Gesichtsabdrücke von u.a. Lenin und seiner Frau Nadeschda Krupskaja, Sergei Eisenstein und Maxim Gorki, aber auch Parteifunktionären wie Felix Dserschinski, Leiter der gefürchteten Geheimpolizei, oder Andrei Schdanow, verantwortlich für die repressive Kulturpolitik und Zensur unter Stalin, wurden zu einem Teil der offiziellen Geschichtsschreibung der Sowjetunion. Dass solche Totenmasken, deren Ursprung eigentlich im Religiösen und Kultischen liegt, im Rahmen eines historiografischen Projekts der Moderne entstanden sind, macht sie einzigartig.
Für ihre Einzelausstellung in der Secession setzt Artaker ihre Arbeit mit den Totenmasken fort, die sie bisher in der Fotoserie und den beiden gleichnamigen Filmversionen 48 Köpfe aus dem Merkurov Museum (2008, 2009) festgehalten hat. In der Secession wird sie Stereofotos der Masken in speziell angefertigten Schaukästen präsentieren. Das Prinzip der Stereofotografie ist ein altes und relativ simples fotografisches Verfahren, das sich die optischen Fähigkeiten des menschlichen Auges zunutze macht. Bei richtiger Betrachtung der Fotos ergibt sich die Illusion eines dreidimensionalen Objekts.
Mit der Wahl dieser Aufnahmetechnik thematisiert die Künstlerin die medientheoretischen Implikationen der Masken und ihrer fotografischen Reproduktion. Sowohl Totenmaske oder Gesichtsabdruck als auch Fotografie sind Verfahren zur Übertragung eines Gegenstands oder Körpers in eine andere Ordnung zum Zwecke der Konservierung, Vervielfältigung, Untersuchung etc. Die Verwandtschaft der beiden Medien Fotografie und Abdruck wird durch den plastischen Eindruck der Stereofotografie zusätzlich betont, der die Vorstellung von Fotografie als Abdruck evoziert.
Bezugnehmend auf Walter Benjamins These vom Verlust der Aura von Kunstwerken durch technische Reproduktion kann Anna Artakers Ausstellung auch als Untersuchung des Auratischen, das seit Benjamin vor allem eine Frage des Mediums ist, gelesen werden.
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WohinTippHQ 2 hours ago