CHRISTIANE SPATT
the story of ...
Ausstellungsdauer: 07. Mai bis 26. Juni 2010
Finissage mit Katalogpräsentation: Samstag 26. Juni 2010, 12-14 Uhr
in der Galerie Michaela Stock, Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien.
Auszug aus dem Katalogtext von Lukas Gehrmann
"The Story of … . Oder: Christiane Spatt, eine Lebenszeilenfinderin in den Sprachen der Bilder":
„[…] überhaupt ist mein Zimmer mein Hochland, ich stochere da den ganzen Tag herum mit Wurzelfingern, zähneklappernd, hocke auf der Bettkante die halbe Nacht, das Feuerchen niedergebrannt. Lapislazuli Gewölk im Geäst meiner Wohnung, auf sepiafarbene Wunder, Rauchfahnen, Farngetümmel, das Heidekraut, das Adlerprofil in der Form der Berggrate wiederentdeckt (Magritte), die Sättel der Berge: schon sitze ich auf wo ihre blutige Taille ist. […] In den Händen die ausgeblasenen Kerzenstümpfe, es windet hier oben, die Fenster zerborsten, Wildwuchs der Maultaschen, wenn die Herzen entgleisen. Ich suche die Unschuld in der Landschaft zurückzugewinnen, im Moosgrund die Menschenratten, die mir während meines langen Lebens begegnet sind, deren Spuren ich aber verloren habe, durch irgend Fehlgriff und -wort, […]. Im Grunde verändert sich nichts oder doch sehr viel. Es ist wie mit dem Altwerden, erst spürt man nichts, dann ist plötzlich alles aus, viele Wunder … . Sacktuch, gegen-gepuffert. Wenn die Flamme aus der Leinwand schießt: Vereinigung des Disparaten – das Innerste aller Kunst.“1
Friederike Mayröckers Denk- und Wortkunst (wie sie hier bei aller zitathaften Fragmentierung eines ihrer Texte noch durchzuschimmern vermag) wurde von einem jüngeren, seinerseits als Meister der Sprache ausgewiesenem Autor, nämlich Michael Lentz, einmal folgendermaßen charakterisiert: „[…] ein Delirium exzessiver, überschwänglicher Sensationen, ein Aufgebrachtsein, Zusammendenken des Unzusammenhängenden entfacht Mayröcker, das Neueinkleiden der Dinge mit plötzlichen Wörtern, die Wörter als Ausstellung – und diese Poesie immer als kommunizierende Röhren, die den Leser sprechen machen. Dass die Sprache den Dingen voraneilen will, das zeigt diese Literatur, die eine Poetisierung von Bewusstseinstätigkeiten ist, ein hochsensitives und sensibles Assoziationswunder.“2
Lentz gab dieser Hommage an die Schriftstellerin den Untertitel „Die Lebenszeilenfinderin“.
Christiane Spatts bildsprachlich formulierte (Gedanken-)Kunst lässt in ihrem Kern Verwandtschaften zu jener Art des „Beschreibens“ des Ich in der „Welt“ erkennen. Zum Einen kreist der Blick der Künstlerin stets durch Räume, innerhalb deren Gegenwärtigkeit sie in die Vergangenheit führende „Lebenszeilen“ ausfindig macht; indem sie konkret Bild-Zeichen wahrnimmt und herausgreift, über welche sie einst ge- oder erlebte Situationen und Sensationen sich in Erinnerung zu rufen oder zumindest Rekonstruktionsversuche anzustellen vermag. Auch wenn sie sich dazu „realer“ Artefakte bedient wie etwa erhalten gebliebener Tapeten-Ornamente im einstigen Kinderzimmer oder Fotografien aus dem Familienalbum, geschieht dabei auch immer ein „Neueinkleiden der Dinge“ – das bei der Künstlerin statt „plötzlicher Wörter“ überraschende Bild-Zeichen-Kombinationen entfacht. Womit zugleich das „zum Anderen“ (des Einen) angesprochen ist: Die „Vereinigung des Disparaten“ (Mayröcker) bzw. das „Zusammendenken des Unzusammenhängenden“ (Lentz) ist der künstlerischen Methode Christiane Spatts ebenfalls immanent. Zeiten, Räume und auch Emotionen, welche ein nicht-poetisches, wissenschaftslogisches Denken streng auseinanderdifferenzieren würde, verfransen sich in ihrer Arbeit zu einem Kontinuum, das uns ein gedankliches Switchen zwischen einem „Hier und Jetzt“ und „Dort und Einst“ ebenso gestattet wie zwischen „Ich“ und „Wir“, das heißt auch zwischen so Subjektivität/Emotionalität und genannter Objektivität/Rationalität.
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Kommentare
WohinTippHQ 33 mins ago