„Das Theater glich einem Irrenhaus, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, der Ohnmacht nahe, zur Thüre. Es war eine allgemeine Auf lösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht!“ – so berichtete ein Augenzeuge von der Uraufführung der Räuber 1782. Es ist die Geschichte vom verlorenen Sohn unter anderen Vorzeichen: Die liebende Dreieinigkeit Vater, Sohn Karl und Jungfrau Amalie wird auseinandergebracht durch den störenden Vierten, den Zweitgeborenen Franz. Er lehnt sich auf gegen das göttliche Gesetz und die Zwänge der Natur: gegen seine eigene Hässlichkeit und gegen die Pflicht zur Familienliebe. Als intellektuell überlegener Intrigant fälscht er Nachrichten, sorgt für die Enterbung des Bruders und bringt den Vater durch Schock ins Grab. Karl setzt sich an die Spitze einer Räuberbande, zweifelt aber bald an der Berechtigung ihrer Taten. Denn während diese immer mehr Vergnügen an den Raub- und Mordzügen findet, sieht er sich als Kämpfer für die Unterprivilegierten. Verkleidet kehrt er ins väterliche Schloss zurück, um Amalie wiederzusehen … Franz Moor verkörpert wie keine andere Figur in Schillers Dramen den Zweifel an der bestehenden Ordnung der Welt, während Karl für die Dialektik von Mittel und Zweck steht: Jede Tat, die die ungerechte Welt bekämpfen soll, muss sich der Mittel dieser ungerechten Welt bedienen und wird zur Schuld. Die antithetisch konstruierte Handlung verdankt dem permanenten Wechsel der Szenen um Franz und Karl ein leidenschaftliches, forciertes Tempo. Dabei begegnen sich die beiden Brüder nie, sind aber auf der „Innenbühne“ des jeweils Anderen immer präsent. In den Räubern spukt Shakespeare allerorten: Franz ist Richard III. oder manchmal Jago, Karl ist Hamlet. Und im Sprachduktus blitzt immer wieder Luther auf. Heimlich hatte Schiller das Drama noch auf der Karlsschule geschrieben. Nach der begeistert aufgenommenen Premiere gab er seinen Posten als Militärarzt auf und floh vor dem Despotismus seines Herzogs, der ihm mit Kerker im Falle weiterer schriftstellerischer Arbeit gedroht hatte, über die Landesgrenze.
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Kommentare
WohinTippHQ 44 mins ago