Das Mittelalter kennt an sich noch kein Konzept autonomer Kunst und daher auch keine Theorie der so genannten schönen Künste. Kunst und Schönheit sind aus theologischer Sicht zudem nur dann gerechtfertigt, wenn sie auf Gott und das göttliche Schöpfungswerk verweisen.
Umso bemerkenswerter ist es, dass sich mit und in der weltlichen Literatur des Hochmittelalters Vorstellungen und Praktiken von Kunst und Künstlertum ausbilden, die sich von ihrer theologischen Rückbindung emanzipieren und Dichtung, Musik, aber auch Bildende Kunst als spezifische menschliche Erfahrungsbereiche entdecken. Reflektiert wird diese Entdeckung nicht in eigenen Schriften, sondern in den Kunstwerken selbst.
Eindrückliche Beispiele finden sich im Minnesang, vor allem aber im Tristanroman Gottfrieds von Straßburg, dessen Titelhelden Tristan und Isolde nicht nur große Liebende, sondern auch hervorragende Künstler sind. An den Szenen, in denen beide vor allem als Musiker und Musikerin auftreten, lässt sich ein regelrechtes kunsttheoretisches Programm ablesen. In den Blick geraten dabei unter anderem Vorstellungen wie die der Virtuosität, auf eine sehr feinsinnige Art weiß der Text dabei den kunstausübenden Körper, seine Schönheit und Anziehungskraft zu inszenieren. Kunst wird außerdem zu jenem Metier, in dem in fast utopischer Weise die sozialen Hierarchien und die Geschlechterordnung der Zeit überschritten werden.
Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck, so lange der Vorrat reicht – wird Manfred Kern, Professor für Ältere Deutsche Sprache und Literatur am Fachbereich Germanistik, einschlägige Szenen des Tristanromans vorstellen und zur Diskussion stellen.
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Kommentare
WohinTippHQ 55 mins ago