Das Meer ist eine romantische Metapher - Sinnbild für Sehnsucht und Aufbruch, für Abschied und Heimweh. Mit kammermusikalischer Intensität entwirft Max Raabe ein akustisches Panorama dieser schillernden Gefühlswelt. In überwiegend leisen Tönen erzählt das neue Solo-Konzertprogramm "Übers Meer" von Liebe und Sehnsucht, von Weggehen und Ankommen. Konzentriert und variantenreich spannt die ebenso voluminöse wie präzise Baritonstimme den großen, melodramatischen Bogen - heiter, elegisch und melancholisch.
Einem Liederzyklus gleich fasst Max Raabe die Lieder, Schlager und Couplets atmosphärisch zusammen. Klassiker wie "Ninon", "Irgendwo auf der Welt" oder "Ein Lied geht um die Welt" interpretiert Raabe mit einem zerbrechlichen Glanz fernab jeder falschen Süßlichkeit. Dem still sehnenden "Wenn der Wind weht über das Meer" - im Original von den Comedian Harmonists gesungen - ist schließlich jene Zeile entnommen, die den Namen des Konzertprogramms trägt.
Die Stücke entstanden zum größten Teil gegen Ende der Weimarer Republik, dieser experimentierfreudigen und widersprüchlichen, herrlich verrückten und doch gar nicht "goldenen" Zeit. Legendäre Komponisten und Textdichter wie Fritz Rotter, Robert Gilbert, Walter Jurmann, Austin Egen, Hans May, Walter Reisch und Werner Richard Heymann waren darunter. Sie waren ausnahmslos jüdischer Herkunft, mussten über Wien, Paris und London in die USA emigrieren - buchstäblich "übers Meer" und weit weg von der Heimat und jener Sprache, die sie liebten und so meisterhaft beherrschten. Einige hatten Glück und machten Karriere in Hollywood; nicht wenige kehrten später nach Deutschland zurück. Mögen ihre Namen heute nur noch wenigen bekannt sein – ihre Melodien klingen über alle Abgründe und Zeitenbrüche hinweg.
Die geniale Mischung aus Melancholie und Ironie, tiefer Traurigkeit und unverschämter Lebenslust bleibt das bis heute unerreichte Erbe einer Kultur, die 1933 brutal vernichtet wurde. Umso wunderbarer der späte Triumph dieser großen Künstler, deren einzigartiger, stets romantisch gefärbter Esprit sich traumwandlerisch sicher zwischen Dur und Moll bewegte, zwischen dem Kleinen und dem Großen, dem Leichten und dem Schweren, zwischen Witz und Wahnsinn des Lebens.
„Ganz dahinten, wo der Leuchtturm steht, wo das weite Meer zu Ende geht, dort blieb ein Stück von meinem Glück zurück“, sang einst Hans Albers. Mit Max Raabe und Christoph Israel aber kehrt ein Stück von diesem Glück tatsächlich wieder zurück. Nach den internationalen Konzertreisen der vergangenen Jahre und dem großen Erfolg des Live-Mitschnitts aus der New Yorker Carnegie Hall mit dem Palast Orchester erschien mit 2010 "Übers Meer" das erste Solo-Studioalbum von Max Raabe. Musikalisch begleitet wird Max Raabe von seinem langjährigen Pianisten Christoph Israel.
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WohinTippHQ 38 mins ago