Herr Müller und die Döner-Monarchie
Am Anfang vertrat der im Haus als Herr Müllür angesprochene Bewohner des pulsierenden Multi-Kulti-Viertels rund um den Wiener Brunnenmarkt die österreichische Durchschnittsansicht: Migration ja, aber bitte nur an Werktagen von 8 bis 18Uhr. Soll keiner sagen, wir hätten kein Interesse an fremden Kulturen! Essen tun wir ja alles, selbst diese japanischen Cevapcici aus Reis und kaltem rohen Fisch. Und der Kebap ist dabei, sogar seine rosafarbene, kantige Schwester, das Bollwerk Leberkässemmel aus dem Schnellimbiss zu drängen.
Beim gemeinsamen Tee mit dem Hausmeister Özcan, der nicht nur jedes Türschloss, sondern auch die Herzen verfehdeter Hausgenossen zu öffnen vermag, wird dann die entscheidende Idee geboren: Hatten wir nicht schon einmal den Vielvölkerstaat (und nicht nur einen Vielvöllerstaat ?!) Wie wäre es mit einer Neuauflage der multikulturellen Donaumonarchie, bloß mit einer anderen nationalen Zusammensetzung? Kaiser Franz-Yusuf war schließlich auch polyglott. Sprachkenntnis ist dabei das Erfordernis Nummer eins. Und Ventil für Müllers ausufernden Sprachwitz. Denn nur mit Reim und Scherz kann Müller seiner neuen Aufgabe als Privaterzieher der Özcan-Kinder gerecht werden. Die dem Herrn Magister zum Dank gleich das Du Opfer anbieten. Welcher sich davon nicht beeindrucken lässt und Murat und Bülent kurzerhand die Spitznamen Jambus und Trochäus verpasst. Frei nach dem Motto Gedicht statt Gewalt oder vielmehr Reim-box statt Kickbox.
Und dann sind da noch die disputierfreudigen Nachbarn des Herrn Müller: der kernige Tiroler aus den Kitzbüheler Alpen ebenso wie der ungarische Psychanalytiker oder der spiel- und trinkfreudige KuK-Offizier aus dem kroatischen Split. Die Erkenntnis folgt auf dem Fuß: "Entdecke erst den Balkan in deinem Auge, bevor du den Splitter im Auge des Bruders siehst!"
Eine Metamorphose vom Bock zum Gärtner, vom Herrn Müller zum bay Müllür. Und ungefähr so korrekt wie Deutsch am Brunnenmarkt.
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Kommentare
WohinTippHQ 2 hours ago