Der Letzte der Ungerechten

Im Zuge seiner Arbeit an "Shoah" in den 70er Jahren hat Claude Lanzmann ein langes und beeindruckendes Gespräch mit dem Wiener Rabbiner Benjamin Murmelstein (1905-1989) geführt.
Im Zentrum stand Murmelsteins ambivalente Rolle als hochrangiger jüdischer Funktionär der von Eichmann kontrollierten Israelitischen Kultusgemeinde Wien in der NS-Zeit und als "Judenältester" des Ghettos Theresienstadt. Bis heute ist umstritten, inwieweit er mit den Nationalsozialisten kollaborierte oder kooperieren musste.
Claude Lanzmann versucht mit der Veröffentlichung des Gesprächs den 1989 verstorbenen Murmelstein zu rehabilitieren.
„Claude Lanzmann ist ein gnadenlos präziser Interviewer, der keine leichten Erklärungen durchgehen lässt. Murmelstein hingegen ist ein rhetorisch brillanter Erzähler, der die Vorgeschichte der Judenvernichtung durch die Nazis mit vernebelnden Propagandacoups wie dem Plan der Ausreise der polnischen Juden nach Madagaskar ausbreitet und auch mit der Legende vom schlichten Bürokraten Eichmann aufräumt.“ (dradio.de)
"Der Letzte der Ungerechten" ist ein einzigartiges Erste-Hand-Dokument über Zwänge und Spielräume im Holocaust und unlösbare moralische Konflikte, die aber gelöst werden mussten. (Die Welt)
"Mehr als dreieinhalb Stunden verbrachten wir in der Gesellschaft dieser Männer, von denen einer, Lanzmann, nicht aufhören kann zu fragen, wie die Geschichte wirklich war - etwa wann Eichmann, mit dem Murmelstein seit 1938, als er für die Auswanderungsbehörde in Wien nach dem „Anschluss“ arbeitete, viel zu tun hatte, ihm einen Stuhl hinstellte, obwohl Juden in Eichmanns Anwesenheit eigentlich nicht sitzen durften -, und der andere mit überbordender Intelligenz und sardonischem Witz auf diese Fragen antwortet: weil er für Eichmann recherchierte und ihm erklären musste, wie die Visabestimmungen zum Beispiel waren, und sich dabei über Papiere beugen und also auch auf Eichmann hinuntersehen musste. Und plötzlich zog eine Intensität von Erfahrung in dieses Festival ein, die es schon jetzt, kaum zur Hälfte vorbei, zu einem großen macht." (Verena Lueken, FAZ, nach dem Screening des Films in Cannes)

Film: „Der Letzte der Ungerechten“, Regie: Claude Lanzmann, Dokumentarfilm. Mittwoch (22.1.), 19 Uhr; Donnerstag (23.1.), 19.30 Uhr, Cinema Dornbirn, St.-Martin-Straße 3, 6850 Dornbirn. Karten unter Tel. 05572/21973. www.fkc.at