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Die Kunsthalle Krems widmet der 1940 in Wien geborenen, großen Einzelgängerin der österreichischen Kunstszene die erste Retrospektive mit Werken aus fünf Jahrzehnten.
Nach ihrem Studium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (1956-1963) tritt sie mit Arbeiten in unterschiedlichen Medien wie Bleistiftzeichnungen, Aquarellen sowie Arbeiten in Öl und Tusche an die Öffentlichkeit. Bereits früh folgen Auszeichnungen wie der "Theodor-Körner-Preis" (1964) oder der "Joan-Mirò-Preis" (1967). 1968 zählt sie als einzige Frau zu den Gründungsmitgliedern der losen Gruppe der „Wirklichkeiten“. Allerdings beschritt Jungwirth mit ihrer bereits damals zwischen gestisch-abstrakten und gegenständlichen Kompositionen hin und her oszillierenden Malerei konsequent einen eigenständigen und unverwechselbaren Weg.
Thematisch kreiste ihr zeichnerisches Werk anfänglich um das soziokulturelle Umfeld der Frau. Zyklen mit Titeln wie „Hausfrauen-Maschinen“ (1975) oder „Die Schwarze Küche“ (1976) lassen feministische Ansätze vermuten; vielmehr jedoch faszinierte Jungwirth dabei das Innenleben von Alltagsgeräten, nicht zuletzt inspiriert durch die Strenge der Architekturzeichnungen eines Mies van der Rohe. Mit diesen wie Röntgenbilder anmutenden Zeichnungen von Haushaltsgeräten rückte Jungwirth 1977 auf der documenta 6 in Kassel erstmals in den Blickpunkt der internationalen Kunstszene.
Neben Alltagsgegenständen sind reale Vorlagen wie Stadt- oder Landschaftsdarstellungen eine Inspirationsquelle oder – wie die Künstlerin es formulierte – ein „Vorwand“, um persönliche, visuelle Eindrücke festzuhalten. Jungwirths Werke haben immer eine in der Realität vorgefundene Situation zur Grundlage, die als Stimulus fungiert und aus deren Seherlebnis die Künstlerin ihren Schaffensprozess generiert. Dabei geht es ihr nie um eine Rekonstruktion, sondern immer um eine Reflexion auf die Wirklichkeit.
In diesem Schöpfen aus dem eigenen Erleben bannt sie Spiegelbilder menschlichen Seins auf die Bildträger. Dies geschieht aus einer Kombination energiegeladener Spontaneität und zeitgleicher Kontrolle ihrer ästhetischen Prinzipien. In diesem Spannungsfeld zwischen Gestik, Form, Spur und Farbe untersucht Jungwirth die Grundprinzipien malerischer Parameter. Dies entspricht einem ständigen Experimentieren mit offenem Ausgang: Spontanen Eingebungen folgend, setzt Jungwirth energiegeladene Markierungen auf Leinwand oder Papier, die sich zugleich durch Schichtung, Überlagerung oder Verwischung wieder entziehen und durch diesen ambivalenten Akt des Zeigens und Verbergens das Bildfeld in Bewegung und zugleich in einen Schwebezustand versetzen. Ihr resoluter Arbeitsprozess bleibt nachvollziehbar, nichts wird kaschiert oder verschönt, im Gegenteil, der Zufall und das energisch Intuitive mit all den Korrekturen, Flecken, Schlieren und Rinnsalen des Malerischen bleibt sichtbar und schafft eine Atmosphäre der Offenheit, Leichtigkeit und Transparenz.
Jungwirths charakteristische Kompositionen, die sich durch ihren eruptiven gestischen Duktus und ihr kraftvolles Kolorit auszeichnen, sind poetische wie dramatische Notationen von Erfahrungen, Stimmungen und Erinnerungen, die aufgrund ihres hohen Abstraktionsgehalts Raum für zahlreiche Assoziationen lassen.
Kurator: Hans-Peter Wipplinger
Bild: Martha Jungwirth, O.T., aus der Serie "Spittelauer Lände", 1993, Privatsammlung Wien © Bildrecht, Wien, 2014, Foto: Franz Schachinger
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WohinTippHQ 2 hours ago