„Liedestoll“: Mezzo-Star trifft Liedermacher – wie Konstantin Wecker und Angelika Kirchschlager mit ihrem Programm ein Plädoyer für das Lied geschaffen haben An ihren Liedern sollt ihr sie erkennen: Was einst für Franz Schubert oder Robert Schumann galt, hat auch in unseren Tagen seine Gültigkeit nicht verloren. Denn wer wüsste nicht, dass nur einer so unvergleichlich vom „Frieden im Land“ tönen oder hingebungsvoll „weckern“ kann vom Sommer, der nicht mehr weit ist: Konstantin Wecker. Das bayerische Kraftpaket, das die kleine Form des Liedes stets als Keimzelle für große Gefühle, aber auch große Gedanken gesehen hat. Ein Vertoner, für den im Anfang immer das Wort gewesen ist: „Es ist für mich undenkbar, zuerst eine Musik zu schreiben und dann einen Text darauf.“ Ein Liedermacher der klassischen Schule eben – und der sich damit von so vielen Künstlern dieser Zeit unterscheidet. Indes: Mag der Wecker auch noch so politisch tönen, seine Herkunft hat er nie vergessen. Als Sohn eines Opernsängers wuchs der kleine Konstantin mit dem Volks- wie auch dem Kunstlied auf, Singen gehörte zum Alltag, als Zwölfjähriger vertonte der Bub bereits einen Eichendorff-Text und genoss später eine klassische Gesangsausbildung. Verwundert es da, dass Schubert ihm bis heute „heilig“ ist? Kaum – eher schon, dass dieses gestandene Mannsbild vor Rührung auf die Knie geht, wenn mit Angelika Kirchschlager eine der weltbesten Mezzosopranistinnen Schumanns „Mondnacht“ singt: „Wenn ich mir etwas wünschen könnte, möchte ich so singen wie Du…“ Doch warum in andere Rollen schlüpfen, wenn sich doch beides so trefflich zusammenfügt? Sind es doch mitnichten zwei Welten, die hier aufeinandertreffen, wenn der Wecker nun mit der Kirchschlager das Programm „Liedestoll“ für eine gemeinsame Tournee formt: „Er hat halt seine Musik und ich habe meine – aber unser Ziel ist das gleiche“, hat die Österreicherin, die schon als Teenagerin Weckers Kompromisslosigkeit und Kraft bewunderte, während der ersten Proben erkannt. „Es geht darum, den Menschen die Botschaft der Texte über die Musik zu vermitteln.“ Und da ist es eben am Ende (fast) gleich, ob die Musik von Schubert, Humperdinck oder Wecker stammt – zumal letzterer schon in den ersten Begegnungen zu seiner eigenen Überraschung festgestellt hat, „wie nahe ich dem Schubert bin: Anscheinend ist der für mich seit meinen ersten Kompositionen als Bub mein absoluter Lehrmeister gewesen.“ So ist ein Programm entstanden, das nicht nur musikalisch den Bogen schlägt vom „Heideröslein“ bis zum „Liebesflug“, von den „Stürmischen Zeiten“ bis zum „Erlkönig“, den dieses nur scheinbar so ungleiche Paar gemeinsam mit Weckers langjährigem pianistischen Alter Ego Jo Barnikel, dem Percussionisten Sebastian Trimolt sowie den kongenialen Saiten- Springern des Spring String Quartets gestaltet: Es ist vor allem ein leidenschaftliches Plädoyer für das (Kunst-)Lied und seine Texte. „Dieses Programm ist perfekt geeignet, das Lied wieder mehr ins Leben hineinzuziehen“, sagt denn auch Angelika Kirchschlager. „Wir wollen zeigen, welch eine Bandbreite der Lieder und des Singens es gibt – und wie lebendig diese sein können.“ Eine Bandbreite, die die, ach so deutschen Grenzen zwischen E- und UMusik nie gekannt hat, das Volkslied ebenso umarmt wie Schuberts „Tod und das Mädchen“ oder Weckers „Königin von Uelzen“. Oder wie der Mezzo-Weltstar es formuliert: „Die Texte dieser Lieder machen den Menschen weich – und das wünsche ich mir so sehr in der heutigen Zeit.“Dass die „Liedestollheit“ der beiden Künstler obendrein einen ganz anderen Blick erlaubt auf den (vermeintlichen) Polit-Barden und die (scheinbare) Opern-Diva, dürfte nicht nur die Hardcore-Fans überraschen, sondern dem Lied auch neue Horizonte eröffnen: „Für jemand, der so leidenschaftlich Kunst betreibt wie Angelika und ich, ist es natürlich auch immer wichtig, dass wir es in Publikumsschichten hineintragen können, die das normalerweise gar nicht hören würden.“ Was mit diesem Projekt zweifellos gelingen wird: Denn wer Wecker in Schuberts „Leiermann“ hört, den wird es unweigerlich auch in sein nächstes Programm ziehen – und wer einmal erlebt hat, wie die Kirchschlager mit ihrem berückend natürlichen Mezzo ein inniges „Weil ich dich liebe“ anstimmt, wird ihren nächsten Liederabend nicht versäumen wollen. Letztlich sei nämlich nicht das Wissen um die Komponisten und die Dichter für das Lied-Verständnis wichtig, sagt die Sängerin: „Entscheidend ist, sein Herz zu öffnen.“
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WohinTippHQ 1 hour ago