Buchungsgebühren können anfallen
Natürlich ist der folgende Vergleich physikalisch gesehen kompletter Unsinn, aber passen tut er irgendwie. Wären also, nur mal angenommen, die letzten zwei Jahre in Norbert Schneiders Leben ein Fallschirmsprung gewesen, der Wiener hätte sich 2013 im freien Fall befunden und wäre 2014 im spielerischen Gleitflug zu Boden gesegelt. Weitgehend lächelnd. Diese Annahme jedenfalls legen die zwei Alben nahe, die Schneider in besagtem Zeitraum aufgenommen hat.
Nach vier erfolgreichen Alben als englisch singender Blueser hatte Schneider mit seinem sehr passend betitelten Werk „Schau ma mal“ nicht nur die Sprache, sondern auch gleich noch das Genre gewechselt. Für alle, die Musik nur hören, aber nicht machen: Das ist ungefähr so, als würde ein gestandener Fernfahrer seinen 30- Tonner gegen ein Kurierfahrrad eintauschen. Oder umgekehrt, es kommt ja hier nur auf die Größe des gemachten Schrittes an. Ein mutiger Sprung ins Neuland, Adrenalin-Überdosis inklusive, weshalb er auch gleich, um im Bild zu bleiben, ein paar Extra-Reißleinen eingebaut und etliche Coverversionen namhafter Landsleute wie Georg Danzer oder Horst Chmela gesungen hatte. Nachdem das Projekt zum Erfolg geworden ist, folgt nun mit „Entspannt bis auf die Knochen“ sozusagen die Kür. Jeden der zwölf Songs hat Schneider, dem momentan angesagten Trend zum „DIY“ folgend, selbst geschrieben – und schon zum zweiten Mal ist ihm dafür wieder der goldrichtige Titel eingefallen. Schneider erzählt Geschichten wie in Straßencafés oder Cocktailbars gesehen und gleich auf den Bierdeckel notiert, und er erzählt sie mal mit traumwandlerischer Lässigkeit eines sympathischen, jugendlichen Snobs, dann wieder mit dem stacheligen Witz eines dem echten Leben schon länger leidenschaftlich zugetanen Stadtindianers.
Eine erlesene Schar von Musikern begleitet ihn dabei gänzlich unaufdringlich, aber bestimmt auf ungewöhnlichem Instrumentarium, das neben Gitarre, Bass und Percussions auch Pedal Steel, Tuba oder Flügelhorn enthält. In erfreulich luftigen und lieber sparsamen als opulenten Arrangements flirren fast schon poppige Melodien durch die klare Luft, hier ertönt eine verwehte Surfgitarre, dort schwüle, karibische Rhythmen, hinter der nächsten Ecke dann schon Desert Rock. Und dann und wann erinnert Schneider sich auch wieder seiner Blueswurzeln, vermeidet aber konsequent und scheinbar augenzwinkernd jeglichen Retro-Sound selbst dann noch, wenn er zum Gypsy Swing bittet. Weshalb „Entspannt bis auf die Knochen“ ziemlich überraschend nach einem Norbert Schneider klingt, der das seltene Glück besaß, in einen Jungbrunnen gefallen zu sein, der ihm trotzdem nicht all seine schönen Erfahrungen vom Leib gewaschen hat.
Kehren wir zurück zum Sprung aus 4000 Metern zur Erde, nur mit ein paar Quadratmetern Stoff und ein paar Metern Schnur bepackt. Wenn sich dabei irgendwann der Schirm öffnet, kann man entweder auf schnellstem Weg dem Feierabendbier entgegen gleiten – oder man nutzt die Zeit, Kapriolen zu fliegen und den Heimweg zum Erlebnis zu machen. Genau so ist Norbert Schneider mit seinem zweiten Album in seiner Muttersprache umgegangen. Und deshalb überträgt sich auch der Riesenspaß, den er und seine Musiker dabei gehabt haben müssen, sofort auf den Hörer. Kleine Prophezeiung: Bald werden die Ersten Norbert Schneider zu covern versuchen. Wird nicht einfach.
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WohinTippHQ 2 hours ago