Mi 18. Nov 2015, 20:00 | |
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Di 29. Dez 2015, 20:00 | |
von Tomas Schweigen & EnsembleURAUFFÜHRUNGRegie: Tomas SchweigenTurbulente Zeiten: Flüchtlingsströme in nie gekanntem Ausmaß drängen in die Europäische Union, eine menschenwürdige Versorgung der Asylwerber kann kaum mehr gewährleistet werden, die Krise der Staatsschulden bleibt ungelöst, Rechtspopulismus und gewalttätige Übergriffe grassieren, während an den Außenrändern der Union Kriege und Terror wüten. Bisher hat Europa kein Rezept gefunden, die politischen Probleme wirksam zu lösen. Seit den Verhandlungen über die Schuldenkrise Griechenlands wird sogar über ein Auseinanderbrechen der Gemeinschaft spekuliert. Die Auseinandersetzungen um die Verteilung der Flüchtlingsströme zeigt zudem, dass sich die Solidarität zwischen den EU-Staaten in irritierend engen Grenzen bewegt. Obwohl also die Herausforderungen immens sind, scheint das allgemeine Vertrauen in die EU gering: 2014 nahmen im europaweiten Schnitt nur 42% der Wähler überhaupt an der Wahl zum Europäischen Parlament teil. Wäre nicht in diesen Tagen ein Neuanfang und ein neuer Typus Politiker gefragt? Einer, der sich integer und pragmatisch der Probleme annimmt, ohne Populist zu sein? Einer, der endlich wieder Identifikationsfigur und Sympathieträger ist? Einer, der selbst trockene, unpopuläre Inhalte vermitteln kann und das mit Humor und Herz?In Reykjavik trat 2008 jemand auf den Plan, den niemand auf der politischen Bühne erwartet hatte. Resigniert vom Versagen der Arrivierten gründete der Punk, Anarchist und Comedian Jón Gnarr eine neue Partei mit einem so satirischen wie schlagend einleuchtenden Namen, der schon Programm genug war: »Die Beste Partei« sollte es sein. Was sonst? Denn wer anders konnte schon mit dem Wahlversprechen aufwarten, nicht nur freien Eintritt in öffentliche Badeanstalten zu bieten sondern auch kostenlose Handtücher für die Besucher? Mehr noch: Das Parteiprogramm kombinierte laut Gnarr einfach »die Highlights aller anderen Parteiprogramme«. Die Unzufriedenheit der Bürger war so groß, dass die Umfrageergebnisse der »Besten Partei« in die Höhe schnellten, bis ein Wahlerfolg tatsächlich möglich erschien. Gnarr musste sich zwischen Satire und Verantwortung entscheiden, wählte die Verantwortung: und gewann! 2010 wurde er zum Bürgermeister von Reykjavik gewählt. Entgegen aller Erwartungen gelang es ihm mit gesundem Menschenverstand und dem Mut, sich von Experten beraten zu lassen, die desaströsen Finanzen zu sanieren und so der Hauptstadt wieder politische Stabilität zu bringen. Obwohl seine Arbeit in der Bevölkerung weithin geschätzt wurde und seine Wiederwahl als sicher galt, zog er sich jedoch 2014 aus der Politik zurück.»Do it yourself!«: Brauchen wir das Motto des Punk als Leitspruch für eine neue Politik, in der »Amateure« (wie Jón Gnarr sich immer bezeichnet) Verantwortung übernehmen? Menschen, die sich nicht mehr mit der Kritik an verkrusteten Strukturen begnügen, sondern mit bürgerschaftlichem Engagement im Kleinen beginnen? Beispiele gibt es viele und es scheint lohnend, auf diesen Ansätzen aufzubauen: durch die Aufbrüche der Indignados in Spanien oder Occupy könnten Plätze in Städten plötzlich wieder zum Ort des öffentlichen Diskurses werden, per Crowdfunding werden neu entstandene Parteien finanziert, die aus basisdemokratischen Protestgruppen hervorgehen und die äußerst vielfältige Szene der Initiativen, die über die sozialen Netzwerke verbreitet werden, entfaltet zwischenzeitlich einige Schlagkraft. In der gegenwärtigen Krise wirkt es zudem beinahe zwingend, über Reformperspektiven der institutionellen Architektur Europas nachzudenken. Der Autor Robert Menasse hat mit seinem »Europäischen Landboten« begonnen, sich der Szene in Brüssel und Straßburg anzunähern. Was ursprünglich als Recherche für einen Roman begann, motivierte ihn dazu, sein eigenes Konzept für unseren Kontinent zu entwickeln: eine Europäische Republik. Liegt der Schlüssel zur Lösung der gegenwärtigen Probleme in der Überwindung von nationalen Interessen? Müssen wir zu einem post-nationalen Gemeinwesen werden?Tomas Schweigen, geboren 1977 in Wien, studierte Schauspiel in Wien und Regie an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Seither arbeitet er sowohl in der freien Szene mit seiner Compagnie »Far A Day Cage« als auch am Schauspielhaus Wien, Schauspiel Frankfurt, Theaterhaus Jena, an den Münchner Kammerspielen, dem Schauspiel Hannover, Staatstheater Karlsruhe und am Theater Basel, dessen Schauspielsparte er von 2012-15 gemeinsam mit Martin Wigger leitete.»Punk & Politik« eröffnet seine Intendanz am Schauspielhaus. Ein Abend, in dem sich alle neuen Ensemblemitglieder dem Wiener Publikum vorstellen und lustvoll über die Rolle des Theaters in Zeiten des Umbruchs nachdenken. Ein Abend über Künstler, die den abseitigen Weg in die Politik probieren und mit frischen Ideen und unorthodoxer Arbeitsweise den Betrieb aufmischen.
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Kommentare
WohinTippHQ 26 mins ago