»Faust« aus der Perspektive von Grete: Einkaufen, mit Mutter stricken, mittwochs Katechismusunterricht - Alltag. Und dann das: Eines Tages kommt dieser edle Mann und spricht Grete an, »einen schönen Satz hatte noch nie jemand zu mir gesagt«. Die Geschichte geht nicht gut aus. Zerscheitern und zu Grunde gehen, diese Unbedingtheit im Handeln formuliert Faust. Und Gretchen handelt danach. Sie bricht aus den gesellschaftlichen Normen aus und durchlebt die Tragödie der Verstoßenen. Sie zieht ihre Familie ins Unglück, wird schließlich zur Mörderin am eigenen Kind und befreit sich, indem sie nicht, wie Faust es von ihr verlangt, flieht, sondern sich ihren Taten stellt. In Faust II wird sie, die durch die Kompromißlosigkeit ihrer Liebe Erlöste, zur Erlöserin des verblendet gescheiterten Faust.
Mit ihrer Grete untersucht die Regisseurin und Autorin Anja Gronau, welche Möglichkeiten der heutigen Aneignung diese zerrissene Frauenfigur zwischen Hingabe und Auflehnung, jenseits des Klischees vom blondzopfigen Mädchen, bietet. Gronau, die ihre Montagetechnik als »Low-Tech-Theater« bezeichnet, ist es kongenial gelungen, aus dem deutschen Klassiker par excellence ein furioses Solo für eine Schauspielerin zu destillieren. Dabei verschneidet sie klassische Zitate mit eigenen Texten oder stellt Goethes Reimen englischsprachige Liedertexte und Popsongs entgegen. Ihre Arbeitsweise beschreibt Gronau dabei als eine Art der Adoption: »Wir adoptieren die Geschichte, die Aussage, die dahintersteckt. Nicht die äußere Form, sondern das Innere. Es ist ein emotionaler Zugang, da darf ruhig spekuliert werden, wer was gefühlt hat. Wir versuchen, mit dem Text, mit Goethe in einen Dialog zu treten, um zum Kern der Gretchenfigur vorzudringen.«
Ausgezeichnet mit dem Friedrich-Luft-Preis 2004 der Berliner Morgenpost und dem Ersten Preis beim 4. Internationalen Monodrama-Festival THESPIS 2004 in Kiel. Eingeladen zum Festival IMPULSE 2005.
Regie: Anja Gronau
Künstlerische Mitarbeit: Marcel Luxinger
Schauspiel: Claudia Wiedemer
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WohinTippHQ 2 hours ago