Lemo lässt sich Zeit. Und das ist gut so. Es war ein einschneidender Moment, als er in jungen Jahren zum ersten Mal „Glycerine“ von Bush gesungen und dabei seine Stimme entdeckt hat. Dann kamen die vielen, mehr oder weniger interessanten Zwischenstationen: Bahnhofsreiniger. Pizzataxifahrer. Fließbandarbeiter. Vermögensberater. Gitarrenverkäufer. Wahlwiener seit einem knappen Jahrzehnt, aber nach eigener Aussage „nicht grantig genug“, um als echter Wiener durchzugehen. Ein Aspekt blieb stetig: die Liebe zur Musik. Heute, viele Jahre und einige Bandprojekte später, weiß Lemo genau, wohin er will. Lemo singt Songs mit wunderbaren Melodien. Seine raue Stimme sorgt dafür, dass es dabei nicht zu lieblich zugeht. Und die Texte? Die sprechen uns direkt aus der Seele. Kaum jemand kann so tiefe Gefühle so direkt ausdrücken, ohne dabei schwer zu wirken. Das liegt dann doch am Schmäh, Wiener hin oder her. Bei Lemo geht es um den Alltag, der einen umtreibt, um diese speziellen Stimmungen, durch die einen das Leben spült. Gleichzeitig verfügt Lemo über eine Coolness, über ein Selbstbewusstsein und eine Präsenz, die uns umhaut. Echte Österreichische Popmusikschule, mit Lässigkeit vertreten. Die Wurzeln im Indierock, gleichzeitig geprägt von der Stuttgarter Kolchose und internationalen Künstlern wie Jamie Cullum, Ben Howard oder John Mayer fand Lemo im Zuge seiner Ausbildung zum Tontechniker schließlich seinen ganz eigenen Zugang zur Popmusik. Das Rezept? Mal entspannte, mal treibende Gitarrenklänge, ein analoger Sound und eingängige Melodien als Unterlage für eine unverwechselbar kraftvolle Stimme. Seine Texte schreibt Lemo auf Deutsch, aus Gründen der Authentizität und um eine unmittelbare Verbindung zum Publikum herzustellen. Denn mit seiner Musik schreibt er Tagebuch auf seinem Weg durch die alltäglichen Freuden, Zufälle, Durchhänger, Banalitäten und Träume. „Stück für Stück“ ist ein Album geworden, das die Welt spiegelt – all diese Gefühle, die großen und die kleinen, die klaren und die, auf die man den Finger nicht legen kann. Die erste Single, „Der Himmel über Wien“, ist ein Song über das Ende einer Beziehung. Das Leben geht weiter, während man selbst stillsteht. Wie können alle nur so tun, als wäre nichts, wenn gerade die eigene Welt zerbricht? Lemo findet kraftvolle Worte, um genau diesen Zustand zu beschreiben, den jeder schon auf seine Weise durchlebt hat. Überhaupt, die Liebe…Lemo bebildert ihre Facetten, singt über das Glück, den richtigen Menschen gefunden zu haben, über die Sehnsucht, die leichten und die schweren Seiten. „Ich seh nur dich“, „Tomaten auf den Papst“, „Offene Zeilen“ und „So wie du bist“ sind die Songs dazu. Jeder auf seine eigene Weise, jeder zu seiner Zeit schwärmen oder leiden sie, schäumen über oder treiben melancholisch dahin. Melancholie spürt man oft in Lemos Liedern. Allerdings drückt sie nicht, sie zieht nicht runter. Weil Lemo es schafft, mit den leichten, graden Klängen seiner Musik eine Atmosphäre zu schaffen, die auch, wenn er von Kummer spricht, etwas Tröstliches, weil Menschliches hat. Und so geht man mit, wenn Lemo in „Rückwärts gegen die Einbahn“ und „So leicht“ davon singt, wie viele Steine einem manchmal in den Weg gelegt werden und wie wichtig es ist, trotzdem weiter zu machen. Leicht wie der Sommer, den er in „Vielleicht der Sommer“ besingt, Lemos erster Hit in seiner Heimat Österreich. Lemos Welt ist schön, auch wenn sie nicht nur hell ist. Sie ist farbenfroh, aber nicht grell. Es geht, wie in „Hör dir selber zu“ und „Panik“, darum, sich zu spüren. Nicht aufzuhören damit, seinen Weg zu gehen. Entscheidungen zu treffen, vor denen man sich scheut – wie in „Eine Antwort“. Lemos Texte treffen uns unmittelbar. Nicht mit einer Wucht, die weh tut – sie arbeiten sich, zusammen mit den Gitarrenklängen, mit dem leichten Groove und Lemos Stimme, langsam, aber stetig vorwärts in unsere Herzen. Bis der Gedanke ganz klar ist: wir kennen uns. Das macht Lemos Musik so verbindlich. Und so schön.
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Kommentare
WohinTippHQ 59 mins ago