Lionel FAVRE „Poiesis“
Der altgriechische Begriff „Poiesis“, von ποιέω “machen”, bezeichnet seit Aristoteles`”Poetik” das menschliche, zweckgebundene Handeln. Damit ist jene zielgerichtete Handlung gemeint, durch die unsere Welt unmittelbar verändert wird. Etwas Neues, bis dato Ungesehenes, wird geschaffen und zieht als neue Realität in unsere Gegenwart ein. In der Philosophie bildet die Poiesis einen Kontrast gegenüber dem praktischen und dem theoretischen Handeln. Dieses „poietische Handeln“ dient auch als eine Metapher für jene Arbeitsschritte, die in ihrer Summe all das herstellen, was wir mit Kunst oder Kultur überschreiben.
Bereits in der Antike wurde die Kunst als der unmittelbare Weg dafür erkannt, dass Sterbliche, die Unsterblichkeit erleben können. So schildert Platon in seinem „Symposion“ durch Diotima den menschlichen Versuch, mittels der Dichtung unsterblichen Ruhm zu erlangen. Dabei ordnet sich die Vergänglichkeit der Poesie unter. Oder: nur das Wort macht uns unsterblich. Für Platons Diotima lag in der „Mousika“ der Schlüssel für die Erfahrung des Universums. Strukturiert in drei Phasen steht am Beginn der „Eros“, das Einlassen, gefolgt von der „Mimesis“, der Geste, und schließlich, wenn die Tänzer aus sich heraus Neues schaffen, die „Poiesis“.
Das Gegenteil der Poiesis sind jene technischen Pläne, die den Ausgangspunkt der Arbeit von Lionel FAVRE (*1980) darstellen. Sie sind wissenschaftlich, logisch. Die Pläne sind alt und vergilbt, sind Zeugen einer vergangenen Zeit, tragen Spuren, sind vernarbt, und wurden oft erst kurz vor ihrer Entsorgung gerettet. Größtenteils handelt es sich dabei um gewöhnliche Dokumente, um Gebrauchsgegenstände, und doch sind sie Zeugen einer großen Epoche von meisterlicher Handarbeit. Heute sind ihre Linien vergilbt, flüchtig und am Entschwinden.
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Kommentare
WohinTippHQ 52 mins ago