Shakespeares letztes Stück ist auch sein komplexestes, wenngleich es zunächst einfach gebaut scheint: Prospero, als entmachteter Herzog auf eine Insel geflüchtet, beschwört mithilfe des Luftgeistes Ariel einen Sturm herauf, der des Herzogs Feinde als Schiffbrüchige auf die Insel spült. Mit Magie und Tricks zettelt der Gekränkte ein Verwirrspiel an, um die zu bestrafen, die ihn einst vertrieben, und seine Tochter mit dem Prinzen zu verkuppeln.
Prosperos Insel ist ein Nirgendirgendwo, ein Reich der Phantasie: Shakespeares Theater. Prospero inszeniert dort ein Stück der Strafe, Busse und Umkehr, will die Figuren seines Lebens für ihre Verbrechen zur Verantwortung ziehen. Doch sie kommen über ihre alten Rollen, die Wiederholung vergangener Verbrechen und Intrigen nicht hinaus. Prospero, der Menschlichkeit sucht, ist in Gefahr, sie selbst zu vergessen, und findet erst durch Ariel die Kraft zu Gnade und Vergebung. Am Schluss zerbricht er, erlöst, erleichtert, aber auch resigniert, seinen Zauberstab, der ihm die Macht gegeben hat, mittels Zauber und Magie zu herrschen.
Im «Sturm» hat Shakespeare erstmals in seinem jahrzehntelangen Schaffen keine literarische Vorlage für seinen Text, sondern erfindet sich selbst eine Welt. In und mit Prospero schafft er eine Konstruktion, die es ihm ermöglicht, den Antagonismus von Tragödie und Komödie aufzuheben. Diese Welt ist die Insel, das Theater, ein Blick auf die Welt, nicht aber die Wirklichkeit selbst. So ist das ganze Stück auch eine Idee in Prospero-Shakespeares Kopf, ein Blatt Papier, das im Laufe des Abends, alle Herrschaftsspiele noch einmal durchlaufend, mit der Vision von einem humanen Ausgleich beschrieben wird. Das Glück der Erfüllung beinhaltet den Verzicht auf Rache und die Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit.
Regie: Barbara Frey
Bühnenbild: Bettina Meyer
Kostüme: Bettina Munzer
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Joachim Lux
Mit: Maria Happel, Joachim Meyerhoff, Johann Adam Oest
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WohinTippHQ 58 mins ago