Rasend in den Stillstand
Installation von Boris Petrovsky
Vernissage: Freitag, 31. März 2017, 20 Uhr
Einführende Worte: Dr. Albert Kümmel-Schnur, Medienwissenschafter Universität Konstanz
Dauer der Ausstellung: 1. April bis 17. Juni 2017
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 10 bis 12 Uhr und 15 bis 18 Uhr
Samstag 10 bis 14 Uhr
Das Hochgeschwindigkeitsprinzip der Welt des 21. Jahrhunderts steht im Zentrum der Arbeiten von Boris Petrovsky. In seiner Installation in der Johanniterkirche in Feldkirch beschäftigt sich der Konstanzer Künstler mit dem rasenden Stillstand unserer hochkomplexen Medien- und Konsumgesellschaft. „Ouroboros“, das altägyptische Symbol der Schlange, die ihren eigenen Schwanz verzehrt, ist das Denkmodell seiner Analyse unseres Umgangs mit Raum und Zeit. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 17. Juni.
An einem dünnen Stahlseil befestigt schwebt „Ouroboros“ knapp über dem Boden des Altarraums der Johanniterkirche. In Inneren der doppelwandigen Plexiglaskugel fährt ein Containerzug im Kreis. Die Lok und die Waggons holen sich fast ein bei dieser unendlichen Fahrt auf der äquatorialen Scheibe. Diese Lücke zwischen der Lokspitze und dem Ende des letzten Waggons, in der sich der Zug scheinbar sich auf sich selbst zurückzubiegen versucht, verweist auf ein Zeitparadoxon, erklärt Boris Petrovsky: „Es geht alles so schnell, dass die Gegenwart von der Zukunft eingeholt wird, weil die Nische dazwischen unbeschreiblich klein ist. Eigentlich gibt es keine Zukunft mehr, weil unsere digitalen Netze jegliche Zukunft berechnen und damit nichts mehr offen lassen. Zukunft hat aber immer etwas mit Zufall zu tun, also mit etwas Unberechenbarem.“
Kugel und Zug kommen durch die Fahrt in eine leicht schlingernde Bewegung. Videobilder aus dem Innern eines Containerwaggons zeichnen diese Vibrationen als Schattenwurf in Grautönen in den Altarraum. Die Kugel wird nach und nach durch den Abrieb der Schienen mit feinem, goldenem Staub überzogen, wie eine Blase, die sich selbst versorgt und austariert. Boris Petrovsky: „Die schwankende Kugel referiert auf die Welt im Taumel zwischen Euphorie und Depression, Sicherheitsbedürfnis und Risikobereitschaft, zwischen Hybris und Verzweiflung, zwischen Sollwert und Istwert. Alles was bleibt, ist ein sich zerspielender Kreislauf, in dem sich der Zug über seine geloopte Bewegung zu feinem, goldenem Staub verbraucht, der die Lücken zwischen den Schwellen mit der Zeit vergoldet, während der Schatten von Zug und Kugel an der Wand ein freskenhaft wirkendes Diagramm der Zeitschlieren wirft. Der Sound des Zuges erscheint wie das Grundrauschen der Daten- und Warenströme.“
Die Eisenbahn ist für Boris Petrovsky das neoliberale Symbol der Verbindlichkeit, die Container stehen für globale, digitale Maßeinheiten, mit denen dieses Versprechen eingelöst wird. „In dieser Welt regiert die Paradessenz des Sowohl-als-Auch. Jeder will wie auf Schiene fahren, pünktlich und effizient sein und nicht vom Weg abweichen, also so sein wie alle anderen - und doch zugleich individuell und persönlich erscheinen.“
Boris Petrovsky, geb. 1967 in Konstanz, lebt und arbeitet seit 2007 in Konstanz. 1989 bis 1996 studierte er Freie Kunst und Produktdesign an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg (HfBK). Auszeichnungen beim Prix Ars Elektronica 2010 und 2014 und beim Japan Media Arts Festival 2012 in der Kategorie interaktive Kunst. 2015 hat der Künstler den geladenen Wettbewerb Kunst am Bau der Wirtschaftskammer Vorarlberg in Feldkirch gewonnen.
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Kommentare
WohinTippHQ 28 mins ago