Five Elements war Steve Colemans erstes und ist bis heute sein bedeutendstes Bandprojekt. Als Maxime per se gilt für seinen heftig pulsierenden, vielschichtigen musikalischen Kosmos: „Wachstum durch Kreativität“ - Wiederspiegelungen der Lebensumstände in der afrikanischen Diaspora. Zusammengefasst unter dem von Coleman geprägten, wohlbekannten Begriff M-Base. War das Five Elements-Konzept anfänglich ein brodelnder Schmelztiegel aus Hard Bop-Anleihen und Elementarsequenzen schwarzer Popkultur wie Funk oder Rap, allerdings in einer Underground-Ausprägung, so hat der Saxophonist für die aktuelle Ausgabe des Kollektivs deren Ästhetik und personellen Umfang abgespeckt. Verortet nun in einem jazzgeschichtsträchtigen, innovativen Format für das der Name Coleman von Relevanz ist. Der Spannungsgrad war hoch, die Erwartungshaltung ebenso. Beides erfüllte sich über Gebühr. Minutenwährende Einstimmung für das Publikum beförderte die nur mit den Instrumenten bestückte Bühne. In´s Scheinwerferlicht tretend, justierten die Musiker ihre Instrumente und integrierten einen kurzen Soundcheck (Hats Off für den Tontechniker des Porgy) in ihre musikalische Road-Map. In abenteuerlichen Verschlingungen zogen Wege durch die tonale, periodische Raum/Zeit-Gestalt ihre Bahnen. Colemans eigenwillige Konzeption blieb unverändert. Feinjustierung und Transparenzüberführung hat er vorgenommen. Nukleus blieb unverrückbar die Rhythmik mit seinem afrikanischen Herkunftsstrang. Dabei sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Coleman und Co knüpften ein Geflecht von aberwitzig komplexen metrischen Verrücktheiten, ungeraden Rhythmen, Akzentuierungsasymmetrien, irrationalen Phrasierungen. Jeder der Musiker spielte Phrasen und Pattern, die auch den Anstoß zu den Stücken markierten, vorwiegend von Coleman initiiert, in seiner Beatwahrnehmung, und doch verzahnten sich die Teile in einem elementaren Pulsieren. Atemberaubende Kreuz- und Komplementärrhythmen, ein polyrhythmisches Tollhaus als Folge, entfachten eine unwiderstehliche, kinetische Energie. Erstaunlich war dieser Zusammenhang der Unabhängigkeiten. Ähnlich vielschichtig offenbarten sich die melodischen und harmonischen Texturen. Coleman hat auch diesbezüglich ein originäres, tricky Konzept ausgetüftelt, in dem er Zitate des Bebop und des Cool Jazz verdichtet, eine lyrische Qualität und afrikanische Melodik durchschimmern lässt, das sich modal/tonal zentriert in flüssig phrasierten Improvisationen entlädt. Enorm phantasiereich, ergreifend narrativ, über eine besondere Körperlichkeit im Ton verfügend. In eigener Verfassung folgte der junge Trompeter dieser Diktion und warf ebenfalls jede Menge zwingender Einfälle ins Feuer. Zwischen Saxophon und Trompete brachen impulsive Diskurse los, reich an kontrapunktischen Feinheiten, herrlichen Call & Response Verquickungen, Durchdringungen und Reibungen. Raffiniert setzten die Bläser dies zwischen die enorm satten, luftig swingenden Kapricen der Rhythmiker, die mit vertrackteste Figuren nach Belieben jonglierten. Ein verwegeneres Off-Beat Feuerwerk, umfangreiche kollektive Freiheiten miteingeschlossen, in polytonaler Farbigkeit ist kaum vorstellbar. Detto gerieten die Deutung der Bebop-Hymne Salt Peanuts sowie die perkussiven Gestiken, die Bläser intonierten jetzt ihre Motive und Linien vokal, zur Wonne. Steve Coleman gehört zu den farbigen Ausnahmepersönlichkeiten die mit außerordentlich selbstbewusster Konsequenz das Erforschen der afrikanischen Wurzeln der afroamerikanischen Musik betreibt und gegenwartsbezogen neu kodiert. Von Bedeutung ist für ihn dabei nach eigenem Bekunden die kemetische Weltanschauung - Kemet wurde das antike Ägypten genannt. Andererseits hat das musikalisch innovative Ornette Coleman Modell, mit seinem Ansinnen der Parität zwischen Harmonik, Melodik und Rhythmik in Steve Coleman seinen heute gewichtigsten Fürsprecher. As black as great music can be. (Hannes Schweiger, anläßlich des Konzertes am 18. November 2018)
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WohinTippHQ 2 hours ago