Der Autor als Schilf oder wie man eine Landschaft zum Sprechen bringt
"Ried", der neue Prosaband von Udo Kawasser
"Das Ried ist ein Geisteszustand", denn auch eine Landschaft kann in Zeiten globaler Erwärmung ins Grübeln kommen und über ihre Biografie und die auf katastrophale Veränderungen hindeutende Zeitläufe sinnieren. Insbesondere wenn es ums Lauteracher Ried geht, mit seinem entschiedenen Zug "zum Brüten und zum Eigenbrötlerischen", in dessen feuchten Inneren es sowieso immer gärt.
Nach den ersten beiden Bänden "Unterm Faulbaum. Aufzeichnungen aus der Au" (2016) und "Ache. Ein Versuch" (2018) legt der in Lauterach aufgewachsene Autor Udo Kawasser im renommierten Wiener Verlag Sonderzahl nun den dritten Band seiner Wassertrilogie vor, in dem er die Natur auf originelle Weise zur Sprache bringt. Dabei bedient er sich des Kunstgriffs, die eigene Biografie mit jener des Rieds zu verschränken und erschreibt sich so die Möglichkeit, einen sehr humorvollen, aber durchaus doppelbödigen Ton anzuschlagen, der immer wieder in paradoxe Situationen führt.
So erfährt man von der Allergie des Rieds aufs Gräserpollen, was es aber nicht davon abhält, bei Schlaflosigkeit seine Grashalme zu zählen, von seinen frühen Lektüren von Einstein und Che Guevarra auf einer ausladenden Eiche oder seinem Ausbruch aus beengenden Verhältnissen, indem es "querfeldein" seinen Weg einschlägt: "Wer oder was riet dem Ried dazu? Erriet das Ried den Weg quer über die Felder ganz allein? Nur was tat das Ried, als es schließlich ins Ried geriet?" Es genießt beispielsweise die Freiheit, eine nackte Kuh auf der Weide zu sein, den täglichen Besuch der Ferne in Form von Wolken, die über seine Felder hinwegziehen, vielleicht sogar auf sie herabregnen, oder es schreibt sein erstes Gedicht über eine Tanne mit verdorrtem Spitz und "fragt sich, ob alle Dichter damit beginnen, über sich selbst zu schreiben".
Leichtfüßig treibt Udo Kawasser, der auch Initiator des Poesiewegs im Ried ist, sein unterhaltsames Vexierspiel, in dem er die Grenze zwischen Landschaft und Mensch verschwimmen lässt. In kurz gehaltenen Kapiteln erzählt er hintersinnig von prägenden Erlebnisse des Rieds und seiner selbst und schafft so Raum für eine pointierte Auseinandersetzung mit der von den Menschen verursachten Zerstörung der Natur und der eigenen Lebensgrundlagen.
Udo Kawasser liest aus seinem Buch und wird von Peter Madsen musikalisch begleitet.
Bei gutem Wetter findet die Lesung direkt im Lauteracher Ried - am Jannersee statt - bei schlechtem Wetter in der Alten Seifenfabrik.
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WohinTippHQ 1 hour ago