Die Willensfreiheit ist ein Grundbegriff, der unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von uns selbst und der Welt widerspiegelt. Die Existenz bzw. die Anerkennung des freien Willens ist insbesondere eine Voraussetzung, um sagen zu können, dass eine Person verantwortlich für ihr Verhalten ist.
Stellen Sie sich vor: Sie sind zum Abendessen verabredet und Ihre Begleitung kommt mit 30 Minuten Verspätung. Variation 1: Ihre Begleitung entschuldigt sich bei Ihnen; der Verspätung lag ein kurzer Stromausfall zugrunde, weswegen der Aufzug, in dem sich Ihre Begleitung auf dem Weg zu Ihnen befand, stecken blieb. Variation 2: Ihrer Begleitung war es egal, ob Sie warten. Wie hätten Sie sich jeweils gefühlt? Die Antwort darauf hängt in der Regel davon ab, ob Ihre Begleitung für die Verspätung verantwortlich war.
Auch das Strafrecht beruht auf einer ähnlichen Maxime: dem Schuldgrundsatz. Mit Schuld ist die bewusste, freie und dem Täter persönlich vorzuwerfende Entscheidung für das Unrecht zu verstehen. Eine Strafe ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit wäre mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gingen wir von einer deterministischen Welt aus, wie etwa manche Hirnforscher behaupten, verlöre auch die Willensfreiheit ihre Bedeutung und mithin das Strafrecht seine Daseinsberechtigung. Denn dann wären alle vermeintlich frei getroffenen Entscheidungen nur die kausale Folge vorangegangener Ereignisse.
Zur Willensfreiheit gibt es zahlreiche philosophische Texte. Der dritte "Montagsvortrag zur Rechtsphilosophie" stellt Ihnen zur Diskussion zwei diametral entgegensetzten Positionen aus zwei verschiedenen Epochen vor: Zum einen den französischen Philosophen René Descartes (1596-1650), der behauptete, wir würden über einen freien Willen im uneingeschränkten Sinn verfügen. Zum einen den deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900), der davon ausging, es gebe gar keinen freien Willen und mithin auch keine Verantwortung.
Prof. Dr. Konstantina Papathanasiou, LL.M. ist seit dem 1.9.2021 Inhaberin des neu eingerichteten Lehrstuhls für Wirtschaftsstrafrecht, Compliance und Digitalisierung an der Universität Liechtenstein.
Sie studierte 2001-2005 Rechtswissenschaften und absolvierte 2005-2007 den Master in Strafrechtswissenschaften in Athen. Ab 2008 konnte sie mit einem DAAD-Stipendium an der Universität Heidelberg forschen, wo sie anschliessend 2010-2013 u.a. als Stipendiatin der Alexander Onassis Stiftung promovierte. Mit einem Habilitationsstipendium der Universität Regensburg, gefördert durch das BMBF, arbeitete sie 2017-2020 an ihrer Habilitationsschrift. Sie habilitierte im März 2021, ihr wurde im Anschluss die venia legendi für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Internationales Strafrecht, Rechtsvergleichung und Rechtsphilosophie verliehen.
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WohinTippHQ 23 mins ago