Das Stück erzählt von der Gier und Trägheit der Menschen und der Frage, was «die öffentliche Meinung» mit der Wahrheit macht.
Das Kurbad ist der Stolz und das wirtschaftliche Rückgrat der Region. Viele Kranke suchen Linderung durch das Heilwasser, neue Hotels und Restaurants öffnen, die Steuereinnahmen sprudeln. Es sind hoffnungsvolle Zeiten. Doch Frau Doktor Stockmann, Leiterin des Kurbades, stellt bei einer Untersuchung überraschend fest: Das Wasser im Bad ist stark mit Giftstoffen belastet.
Zusammen mit der Lokalzeitung will die Doktorin die Bevölkerung informieren. Vom Chefredakteur und der Herausgeberin erhält sie zunächst Rückendeckung, aber der Bürgermeister des Ortes – und Bruder von Frau Stockmann – intrigiert gegen die Veröffentlichung. Zwischen beiden entbrennt ein erbitterter Streit darüber, was schwerer wiegt: Gesundheit der Badegäste und der Schutz der Natur oder der drohende wirtschaftliche Bankrott der Stadt. Und plötzlich wendet sich die öffentliche Meinung gegen die Wissenschaftlerin und ihre unbequemen Erkenntnisse. Frau Stockmann und ihre Familie geraten zwischen die Fronten gegensätzlicher persönlicher, politischer und wirtschaftlicher Interessen. Was als Suche nach einer gemeinsamen Lösung begann, entwickelt sich zu einem Krieg um Deutungshoheit und Macht. Das gesellschaftliche Fundament droht zu brechen, wenn kein Kompromiss zustande kommt. Doch welche Partei macht den ersten Schritt?
Was der Hauptfigur hier passiert, erinnert nicht zufällig an die sogenannte «Cancel Culture», das Aufbauen öffentlichen Drucks mit dem Ziel, polarisierenden und häufig diskriminierenden Haltungen keine öffentliche Bühne zu bieten. Gegner:innen sehen darin den Versuch, unliebsame Fakten zu unterdrücken und die Debattenvielfalt einzuschränken, Befürworter:innen ein Werkzeug gegen menschenverachtende Haltungen und ein Mittel der Kritik.
Doch was passiert, wenn kein Interesse an einem Ausgleich oder Gespräch besteht? Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse polarisieren und der allgemeinen Behaglichkeit im Wege stehen? Ist das höchste Gut einer Gesellschaft die Wahrheit? Der Kompromiss? Das einzelne, menschliche Leben?
Henrik Ibsen schrieb «Ein Volksfeind» 1882 als Reaktion auf die öffentliche Diffamierung seiner Person und Stücke, welche gesellschaftliche Konventionen hinterfragten und ein ungeschminktes Bild sozialer Zustände zeigten. Es war ihm höchst suspekt, wie die «öffentliche Meinung» zur einzigen Wahrheit erhoben wird und welche Konsequenzen das für diejenigen hat, die gegen gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten aufbegehren. Da Ibsen stark durch die nordische Sagen- und Märchenwelt geprägt war, sind seine Stücke mit Naturmotiven durchtränkt. Es ist kein Zufall, dass er ein Kurbad und Heilwasser als Rahmung für die Konflikte seiner Figuren wählt. Die Natur ist bei ihm eine Kraft, die das Unbewusste der Gemeinschaft an die Oberfläche spült.
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WohinTippHQ 1 hour ago